St. Johannes der Täufer, Dorfen
Hoch über dem westlichen Isarsteilufer bei Wolfratshausen liegt das uralte Dorfen. Es gilt als der Urahn des Marktes Wolfratshausen (Wolveradeshusun). Die Siedlung Dorffen (Darff) ist eine bajauwarische Gründung aus dem 8. Jahrhundert. Im 14. Jahrhundert gehörte sie zum Freisinger Amt Föhring. Sehr früh gab es bereits eine Kirche (ca 1100). Sie wird bereits am 10. Januar 798 - zur Zeit Karl des Großen - unter dem Freisinger Bischof Atto erwähnt. Es wird 1420 von einem "Schloßbenefiziaten" berichtet. Gehörte sie ursprünglich zur Pfarrei Thanning, kam sie im 18. Jahrhundert nach Wolfratshausen. Die Kirche ist dem hl. Johannes Baptist geweiht. Es wird vermutet, dass sie früher ein anderes Patrozinum besessen haben könnte.
Durch die kräftige Wandgliederung lässt der Kirchenraum etwas von der Monumentalität der barocken Formen dieser Zeit erkennen. Das Raumkonzept zeigt den Weg der Entwicklung vom Bautyp des 17. Jahrhunderts zur ländlichen Rokokokirche auf. Somit ist die Dorfener Kirche ein interessantes Baudenkmal.
Der "schiefe Turm" in Dorfen sorgte für eine jahrelange (1934-1953) Behördendiskussion. Baurat Frank aus dem erzbischöflichen Baubüro inspizierte die Kirche von Außen und Innen. Er stellte in einem Schreiben vom 20. März 1953 fest: "... daß innen am Gewölbe überhaupt keine Sprünge und Risse sichtbar sind; auch außen an der Fassade sind keinerlei Sprünge feststellbar, wenn auch der Turm sich um ca. 20 cm zum Presbyterium geneigt hat. Es ist dies ein Fall, der öfters in der Diözese vorkommt. ... es ist anzunehmen, daß der Turm in seinem jetzigen Zustand immerhin noch 15 bis 20 Jahre herhalten dürfte. Um die Sache aus der Welt zu schaffen, dürfte es sich empfehlen, die Angelegenheit in sich ruhen zu lassen."
Bei der Totalsanierung 1977-1984 wurde mit der Dachreparatur auch eine Turmsicherung vorgenommen. So dürfte der "schiefe Turm von Dorfen" noch lange stand halten.
Damit hat der "schiefe Turm von Dorfen" weiterhin seinen berechtigten Platz im Wappen der Gemeinde.
Baugeschichte
Gehörte die Kirche ursprünglich zur Pfarrei Thanning, kam sie im 18. Jahrhundert zu Wolfratshausen. Laut Pfarrbeschreibung vom Pfarrvikar Georg Adler 1585 besitzt die Kirche drei Altäre: "... der chor Altar hayst Sandt Johannis Altar, der 2. andern Sandt Viegl, der 3. unsern frauen Altar, und bay diesen wirt kein wochen mess gelesen, sonder nur am dritten Sontag."
Zehn Jahre nach dem Schwedeneinfall ging 1642 ein Zustandsbericht an die bischöfliche Behörd in dem die Kirche für abbruchreif befunden wurde. Doch die Not der Zeit ließ einen Neubau nicht zu. Es wurde repariert, so gut es ging. Es gab eine kurfürstliche Unterstützung. Die Dachplatten kamen aus der kurfürstlichen Schwaige in Laufzorn bei Deisenhofen. Die Gesamtbauleitung hatte Maureremeister Hansen Widmann. Den Dachstuhl und die übrigen Zimmermannsarbeiten übernahm Zimmermeister Hansen Laimer aus Weidach. Um das Dach kümmerte sich Maurermeister Hansen Wietmann. Die Gesamtsumme aller Ausgaben beliefen sich auf 230 Gulden, 50 Kreuzer und 1 Pfennig.
1727 fasste der Wolfratshausen Pfarrer Joh. Baptist Maurer Pläne zum Neubau der Kirche. Der Maurermeister Benedikt Schafstatter von Wolfratshausen erstellte einen Kostenvoranschlag, doch den Auftrag erhielt er nicht. Nach den Plänen des Münchners Stadtmaurermeisters Johann Mayr geb. 1677 in Haustatt bei Bad Aibling wurde eine neue Kirche gebaut, die in ihrer Substanz noch heute besteht. Grundsteinlegung war am 4. Juni 1728, nachdem am 10. Mai 1728 mit dem Abbruch der gotischen Kirche begonnen worden war. Mitverantwortlicher Baumeister war Lucas Mörz aus Weidach. Der Rohbau des Kirchenschiffes und der Sakristei waren 28. September fertig gestellt. Im folgenden Jahr wurde der Turm aufgemauert und mit einer „Turmkuppel“ abgeschlossen. Mit einer Holzkonstruktion wölbte man die Decke des Kirchenschiffes. Die Arbeiten führte der Zimmermeister Hans Koch aus Höhenrain aus. Im Jahre 1730 wurde die gesamte Kirche in 24 Tagen verputzt.
Seit der Fertigstellung mussten fast fünf Jahre vergehen, bis die Kirche geweiht wurde. Die Weihe des neuen Gotteshauses erfolgte unter dem damaligen Fürstbischof Kardinal Johannes Theodor, Herzog von Bayern (1727-1763), durch seinen Freisinger Suffraganbischof (Weihbischof) Johannes Ferdinands, Freiherr von Poedigheim. Dieser hatte von 1730-1756 den Bistumsstuhl inne. Auf seiner umfangreichen Konsekrationsreise erfolgte die Weihe der Kirche Johannes der Täufer in Dorfen am Sonntag, den 21. September 1734.
Bei der Konsekration der Filialkirche wurde die Reliquienkammer vorne im Sockel des Hochaltares eigefügt. Es ist eine vom Bischof versiegelte Zinnschatulle mit Weiheurkunde und Reliquien des hl. Märtyrers Felix, der durch Enthauptung um 300 gestorben ist. Auf dem Verschlussdeckel ist die Zahl MDCCXXXIIII (1734) eigefügt.
Bereits im April 1814 beklagte der Wolfratshausen Pfarrer, Dekan Johann Michael Mayr, den Zustand der Kirche, der angeblich der Einsturz drohte. Doch das Geld fehlte und so wurde sie wieder einmal notdürftig repariert.
Sie steht nach wie vor am alten Platz! Nur seit 1884 besitzt der Turm einen Spitzhelm, der die ursprüngliche Zwiebelkuppel ersetzt hat.
Am 10. Dezember 1889 wurde das alte disharmonische Geläuf ausgetauscht. St. Maria Glocke erfreute durch ihren hellen Ton. Die St. Johannes Glocke im f-Ton überzeugte zunächst nicht. Sie wurde noch einmal von der Fabrik Ulrich Kortler gegossen.
1909 Innenausstattung
1909 erhält durch neue Seitenaltäre die Innenausstattung der Dorfener Kirche ihr endgültiges Gesicht.
Innenansicht Richtung Westen
Durch die Anordnung des Königlichen Kriegsministeriums vom 1. März 1917 kam es zum Verlust der Glocken. Schon bald nach Kriegsende kam es zu einer Spendenaktion unter der Dorfener Bevölkerung für einen Nachguß. Auf Weihnachten 1921 wurden die Glocken durch den Erdinger Glockengießer Bachmair bereits geliefert.
Im Winter 1941/42 kam es zur erneuten Glockenenteignung auf Anordnung des Generalfeldmarschalls Göring.
Im Sommer 1942 weißelte die Dorfener Bevölkerung ihre Kirche innen und außen. 1947 wurden die Fenster der Kirche, die durch Bombenschaden einer Luftmine zerstört waren, neu eigeglast; allerdings nicht mit Buntglas, sondern nur mehr mit weißem Kathedralglas.
Es folgten dann laufend Erneuerungen:
- 1961 ein modernere Tabanakel, 1963 Aussenanstrich,
- 1967 Elektronische Orgel, elektrische Läutanlage,
- 1973 Wiederaufstellung des restaurierten Barocktabernakels,
- 1976 elektrische Turmuhr.
- 1977-1984 erfolgte die Totalsanierung der Kirche im Innen- und Aussenbereich.
Elektronische Orgel
Restaurierter Barocktabernakel
Zum Patrozinium am Sonntag, den 24. August zelebrierte Weihbischof Franz Schwarzenböck den Festgottesdienst zur 250 Jahrfeier der Kirche. Dabei nahm der Weihbischof die Wiedereinbettung der bei der Renovierung gehobenen Reliquien in den Sockel des Hochaltars.
Baubeschreibung
Der Grundriss des Langhauses mit dem eingezogenen Polygonalchor zeigt, dass beim Neubau der Kirche das Fundament des gotischen Vorgängerbaus größten Teils übernommen wurde. Es ist interessant, dass der Chor nur außen dreiseitig gegliedert ist, während er innen abgerundet und der Raum zweigeteilt erscheint. Vor dem Altar wurde ein weiteres Pfeilerpaar hochgezogen, das dem Chorbogen-Pfeilerpaar identisch ist. So entsteht mit der querovalen Kuppel eine Art Vorraum. Über der Sakristei, an der Südseite des Chors, ist ein Oratorium eingebaut.
Chorraum von außen
Chorraum innen
Oratorium über der Sakristei
Das relativ flache korbbogenförmige Gewölbe ruht auf dem relativ schwer wirkenden Kranzgesims der doppelt aufeinander gelegten Pfeilern. Diese sorgen für eine dominante Wandgliederung. Das Gewölbe wird mit Stuckleisten gerahmte Zierfeldern gegliedert. Den an den Ecken abgerundeten Raum erhellen sechs Fenster, die das schwere Gebälk durchstoßen. Über dem Eingang ist eine Empore gebaut, die über eine Wendeltreppe zugänglich ist. Ein kleines Vorhaus schützt den westlichen Eingang.
Ausstattung
- Der Hochaltar muss in der Zeit zwischen 1730 und 1735 entstanden sein kurz nach Fertigstellung der Kirche. Der lineare Grundriss des Retabelaufbaus und die seitlichen Figuren entsprechen dem veralteten Bauschema des 17. Jahrhunderts. Die ornamentalen Zierformen lassen deutlich das 18. Jahrhundert erkennen. Der Aufbau dürfte von einem Wolfratshauser Kistler erfolgt sein. Die Figuren dürften nicht aus Wolfarstahauser Werkstätten stammen.
Altarfigur Nordseite
Altarbild Taufe Jesu
Altarfigur Südseite
- Das Altarbild: Taufe Christi im Jordan stammt aus der Hand des Wolfratshauser Malers Philipp Guglhör.
- Das Gott-Vaterbild ist eine Werkstattarbeit.
- Das kleine Medaillon im Altargesims zeigt Nikolaus und Georg, die Patronen der ehemaligen Schlosskapelle.
- Der Tabernakel wurde Anfang des 19. Jahrhunderts umgestaltet, während der ornamentale Schmuck der Predellenzone wie das Antependium aus dem Jahr 1909 stammen.
- Die ersten Seitenaltäre hatten nur aus Mauernischen bestanden, in denen die Figuren Maria und Johannes Nepomuk standen. Frei darüber hingen die Auszugsmedaillons ( 1730/35) und die Gesimsengel. Die Bilder in dem Medaillons zeigen den hl. Franz Xaver (Marienaltar) und den hl. Vitus mit dem Ölkessel (Nepomukaltar). Die heutigen Nebenaltäre entstanden 1009. Sie wurden in den Werkstätten des Architekten Joseph Elsner in München gefertigt.
- Die Kanzel aus der gotischen Vorgängerkirche wurde im Gegensatz zum Flügelaltar am Hochaltar in die neue Kirche übernommen. Der Kanzelkorb ist der ältere Teil. Er gleicht dem von Nantwein und stammt aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts. Der Schalldeckel wurde 1730 vom Wolfratshauser Kastler Johann Jani erneuert. Philipp Gugelhör fasste die Kanzel und schmückte sie mit vier Evangelistenbildern.
- Während man 1889 an der Erhaltung der Bausubstanz arbeitete, ging der Filialkirche ein außerordentlicher, vielleicht ihr größter Schatz verloren.: Ein romanisches Kreuz, das möglicherweise aus der früheren Burgkapelle stammte. Es wird wie folgt beschrieben: „Christus am Kreuz. Bemalte Holzfigur des 12. oder beginnenden 13. Jahrhunderts. Höhe 0,83 m. Christus trägt einen Vollbart und kleinen Schnurrbart, das Haupt neigt etwas zur Seite, die Arme und Hände sind gerade ausgestreckt, die Rippen durch parallele Striche angedeutet, die Füße stehen nebeneinander, die Knie sind nach der rechten Seite hin ausgedrückt, die Augen geschlossen. Auf dem Haupte trägt Christus eine Krone, das Lendentuch reicht bis zu den Knien herab.“
- Gegenüber der Kanzel an der Südwand hängt ein Kruzifix aus dem 18. Jahrhundert vom Wolfratshauser Bildhauer Joseph Krinner gefertigt.
- Über dem Sakristeieingang im Chorraum hängt ein Bild, das ähnlich dem Altarbild die Taufe Christi zeigt. Darunter befinden sich zwei Kleinplastiken, um 1620 entstanden. Sie stellen wahrscheinlich Joseph und Maria dar.
- Das Antipendiumbild des neuen Altartisches zeigt den Leichnam des enthaupteten Johannes. Es stammt aus der Zeit um 1700.
- Zu Beginn de 19. Jahrhunderts wurde der Kreuzweg geschaffen.
- Das Armenseelenfresko an der Südwand der Eingangshalle entstand im 18. Jahrhundert und wurde 1983 restauriert.
- Das Kirchengestühl fertigte der Zimmerer Hans Koch aus Höhenrain 1730.
Literatur- und Bildquellen
Literatur:
- Heimatbuch Dorfen 1992, Verlag der Filialkirchenstiftung Dorfen
- Kunstführer Nr 548: Kirchen und Kapellen der Pfarrei Wolfratshausen Auflage 1984, Verlag Schnell & Steiner München, Zürich
- Heimatbuch Wolfratshausen, Herausgeber Stadt Wolfratshausen 2002
- Der Landkreis Wolfratshausen in Geschichte und Gegenwart, Heimatbuchverlag H. Aigner München 1965
- Benno Conatantin Ganter, Die Werkstätten der Wolfratshausen Altarkistler und Bildhauer im 17. Jahrhundert, tuduv Verlagsgesellschaft, 1984 Studien Reihe Kunstgeschichte Band 10
Bildmaterial: Klaus Bendel