St. Nantovinus Nantwein
In ihrer Raumgestaltung wie auch mit einem Großteil ihrer Ausstattung ist die Kirche in Nantwein ein wichtiges Denkmal manieristisch-frühbarocken Kunstschaffens im Einflussbereich Münchens. Sie ist ein kostbares Kleinod. Sie besitzt die einzige, fast komplette Altarausstattung der Wolfratshauser Werkstätten aus dem frühen 17. Jahrhundert. So ist sie für Wolfratshausen kunstgeschichtlich von unschätzbarem Wert.
Baugeschichte
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts verurteilte der Wolfratshauser Richter Ganther den Rompilger Konrad Nantwin aus Habgier unschuldig zum Tode. Am 7. August 1286 wurde er außerhalb des Ortes bei lebendigem Leib verbrannt. Das Volk erkannte aber das hier geschehene Unrecht. Da seine verkohlten Knochenreste Blinden bei Berührung das Augenlicht zurückgaben, wurde Nantwin an der Stelle seines Todes verehrt. Um 1300 erbaute man dort eine Kapelle, die dem hl. Laurentius geweiht war.
Da die Wallfahrt zum Nantwin unaufhörlich zunahm, wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts eine größere Kirche erbaut. So entstand die Grundform der heutigen Kirche.
Bezeichnete Pfarrvikar Georg Adler 1604 die Kapelle noch als ein „feins altfränckisch Gepey“, erhielt der Wolfratshauser Ratsherr Hans Hueber am 25. Oktober im selben Jahr vom ‚Geistlichen Rat‘ die Erlaubnis, die Kirche zu erweitern. In der folgenden Zeit entstand der heutige Kirchenbau. Es wurden zwar die Grundmauern des alten Chorkapellenraumes mitverwendet, völlig neu wurde das westliche Langhaus aus Tuffstein errichtet. Ursprünglich lagen die Eingänge an der Süd- und Nordseite. Auch die Gewölbe erneuerte man. Dabei dienten gotische Gewölbekonstruktionen als Vorbild. Es wird vermutet, dass der Wolfratshauser Maurermeister Georg Hamerl als verantwortlicher Baumeister tätig war. 1609 wurde der Dachstuhl aufgesetzt und am 27. Juni 1610 konsekrierte der Freisinger Weihbischof Bartholomäus Scholl die Kirche.
Dabei wechselte das bisherige Hauptpatrozinium des hl. Laurentius auf Nantwin über. Das Patronat der hl. Magdalena wurde beibehalten.
Erst im 20. Jahrhundert erfuhr die Bausubstanz dieser Kirche wieder eine große Veränderung. Während der grundlegenden Renovierung in den Jahren 1975-78 wurde die westliche Eingangshalle neu erbaut. Der südliche Eingang wurde geschlossen. Für die alte Sakristei gab es ebenfalls einen Neubau. Ebenso wurde die von Johann Schmidt 1706 gefertigte Turmhaube auf dem Dachreiter nach Plänen des Nikolaus Lanzinier (1905 entworfen) durch eine Zwiebel ersetzt.
Baubeschreibung
Die Konzeption des Kirchenraums erinnert an eine einschiffige spätgotische Saalkirche. Das Langhaus ist so breit wie der Chor; nur durch den Chorbogen werden beide Räume voneinander getrennt. Das Gewölbe vermittelt spätgotisches Formempfinden. Durch die über den Fenstern in das Gewölbe vorstoßende Stichkappen erfolgt eine Rhythmisierung des Kirchenraumes. Die vielen großzügig gestalteten Kirchenfenster im Kirchenschiff und vor allem die sechs Hochfenster im Innenraum des Chores erzeugen eine angenehme Lichtfülle. So kommt am Stuck wie auch an der übrigen Ausstattung eine sehr detaillierte und reizvolle Kontrastierung an der Oberfläche zur Geltung.
St. Nantovinus
St. Nantovinus Decke
St. Nantovinus
Raumdekoration
Der qualitativ hochwertige Stuck ist mit Sicherheit mit den Händen Münchner Meister des frühen 17. Jahrhunderts entstanden. Am Chorbogenscheitel sind zwei Stifterwappen zu sehen. Sie zeigen Martin Greimolt (l), einen ehemaligen Gerichtsprokurator in Wolfratshausen (1615-1631) und seine Gattin, eine geborene Wendlinger (r). Beide haben wohl die Stuckierung der Kirche gestiftet. Das Gewölbe schmücken kräftige Rahmungen, reichverzierte Felderformen und Ornamentierungen, Band-, Laub-, Tuch- und Fruchtgehänge und geflügelte Engelsköpfe.
Stifterwappen
Deckenstuck
Deckenstuck
Der aufwendig gestaltete Chorraumstuck setzt sich vom Langhaus ab. Über dem Hochaltar steht die Stuckierunng im Bezug auf den ganz oben mit einem Spruchband stehenden Engel. Die Gestaltung dürfte zwischen 1620 und 1625 entstanden sein.
Deckenstuck im Chorraum
Deckenstuck im Chorraum
Deckenstuck im Chorraum
Nach Jahre langer Vorbereitung wurde 2019 von der Firma Farbwelten Hammer der Kirchenraum neu geweißt. Zum Abtragen der sehr verschmutzen Wandoberfläche wurde das Latex-Strip-Verfahren ausgewählt, um die Grundsubtanz der Wandfarbe aus dem 17. Jahrhundert nicht anzugreifen. Die neue weiße Fassung des Kirchenraumes kann wieder seinen eigentümlichen Reiz vermitteln und so zur übrigen Ausstattung einen Kontrast wirken lassen. Am 4. Adventssonntag, den 22.12.2019 war es so weit. zur Galerie
Ausstattung
Die Altaraustattung in der Nantweiner Kirche zeigt deutlich das Kunstschaffen der Wolfratshauser Werkstätten des frühen 17. Jahrhunderts.
Linker Seitenaltar
Hauptaltar
Rechter Seitenaltar
- 1613 Anfertigung der beiden Seitenaltäre in den Werkstätten des Wolfratshauser Bildhauers Christoph Graf und des Kistlers Caspar Polz. Ihre Fassung erhielten sie von dem damals berühmten Faßmaler Stephan Engelschalk.
- 1619 Aufbau des Hauptaltars
Martyrium des hl. Nantwin
- 1632 (Schwedenjahr) Der Wolfratsshauser Maler Leonhard Griesman erstellt ein neues Altarbild.
Es stellt das Martyrium des hl. Nantwin dar.
- 1653 Großes Epitaphbild (rechts) entsteht von Adam Griesman, gestiftet von Anna Kheller. Zu sehen ist es an der Nordwand des Chorraumes über dem Eingang zur Sakristei. Das Hauptbild zeigt die 14 Nothelfer. Darunter zeigt ein Queroval die Anbetung der hl. Drei Könige, eingerahmt von der Stifterin und dem Stiftungtext.
Epitaph
Innschrift: "Der allerheiligsten und ungeteilten Dreifaltigkeit Gottes, der allzeit gebenedeiten Jungfrau und Mutter Gottes Maria, dann auch hier oben stehenden 14 heiligen und großen Nothelfer St. Dionys, Erasimo, Blasius, Pantheon, Aegidius, Cyrano, Christoph, Vitus, Georg, Euchachius, Achatius, Barbara, Katharina, Margaretha und schließlich auch dem hl. Nantovinus, dessen Heiligtum und Gebeine allhier ruhen und verehrt werden, zu Lob und Ehr hat im Jahre 1653 den 14. November die ehr- und tugendsame Frau Barbara Keller, weiland des ehrenfesten und weisen Herrn Melchior Keller, gewesten Bürgermeisters und Bierbrauers zu Wolfratshausen selig, hinterlassenen Witwe ihrem und ihres abgemeldeten verstorbenen Hauswirts selig, beiden ehrbaren Geschlechtern zu einem hier zeitlichen und dort ewigen Andenken dieses Epitavio (Gedenktafel) allherb machen lassen. Gott, der Allmächtige, wolle durch seine grundlose Barmherzigkeit auf Fürbitte vorgenannter Heiligen Gottes den schon verstorbenen dort die ewige Ruhe und den noch im Leben vorhandenen hier zeitliche glückselige Wohlfahrt und nach glückselig verrichtetem Sterbestündlein dort ewige Freud und Seligkeit und allen Christgläubigen Seelen eine fröhliche Auferstehung verleihen. Amen."
- 1672 Der Altar erhält seine heutige Form. Es werden die einstigen Altarflügel durch die offenen Arkadebögen mit den Wetterpatronen dem hl. Johannes, Märtyrer und dem hl. Paulus, Märtyrer ersetzt. Führte die Kistlerarbeiten die Wolfratshauser Werkstätte Lucas Hermes aus, so fertigte die Figuren der Weilheimer Bildhauer Ambras Degler. Die Altarteile samt Figuren fasste Adam Griesman. Lucas Herne erbaute eine doppelgeschossige Empore.
Wetterpatron hl. Johannes, Märtyrer
Der Tabernakel stammt aus dem Jahre 1896.
Wetterpatron hl. Paulus, Märtyrer
- Die Blut auffangenden Engel am Triunmphbogenkreuz und die hl. Magdalena auf dem Schalldeckel der Kanzel stammen aus Werkstätten im Münchner Raum im frühen 17. Jahrhundert.
- Frühes 18. Jahrhundert: Kruzifix am Triumphbogenkreuz
Triumphbogenkreuz mit Blut auffangende Engel
hl. Magdalena
- 1797 Die zwölf Apostel im Chor der Kirche, wie auch die Maria und Josephgruppe an der Südwand stiftete der Nantweiner „Förg“ Joseph Fischhaber. Alle Figuren schnitzte der Bildhauer Philipp Rämpel aus Wolfratshausen.
- 1896 Die Werkstätte Riesenhuber aus München erstellte einen neuen Tabernakel, der bis heute im Dienst steht.
Apostel mit Maria im Chor der Kirche
12 Apostel im Chor der Kirche
Maria und Josephgruppe
-
1977/78 Bei der großen Renovierung wurde die ursprüngliche Farbigkeit des Altars freigelegt. Stilgerecht wurden der Schalldeckel und die Stiege der Kanzel ergänzt. Nur der Korb der Kanzel ist original (18.Jh). Ebenso wurde die doppelgeschossige Empore komplett erneuert. Nur die alten Blendarkaden wurden wieder verwendet. Die Kirchenstühle wurden nach Vorbildern des 18. Jahrhundert erneuert. Ambo und Altartisch im Chorraum wurden von Bildhauer Wolfgang Gebauer stilistisch dem 17. Jahrhundert angepasst.
- 1979 Errichtung einer Kleinorgel mit 7 Register von der Firma Eisenbarth aus Passau.
Kanzel mit Stiege
Doppelgeschossige Empore
Kleinorgel
Unter der Empore an der linken Wand ist wohl die älteste Darstellung Nantwins zu sehen. Sie dürfte wohl aus den Jahren um 1300 stammen und Zeugnis ablegen von früher volkstümlicher Kunst. Das stark verwitterte Relief aus Sandstein zeigt den Gefangenen Nantwin in Fesseln. Ursprünglich dürfte es in dem ehemaligen Kirchlein auf einem Sarkophag über den Gebeinen Nantweins gelegen haben. Eine Sensation war es, als anlässlich der Renovierungsarbeiten 1976 in den drei Altären der Kirche Hohlkammern entdeckt wurden, in denen sich u.a. durch Brand versehrte Knochenreste befanden. Der damalige Pfarrer Ulrich Wimmer ließ sie mittels Radiokarbon-Methode untersuchen. Sie wurden auf das Jahr 1275 datiert (+/- 30 Jahre).
Gebet zum hl. Nantwein aus dem Wallfahrtsheftchen für St. Nantwein:
"Siehe, in diesen betrübten Zeiten rufen wir zu Dir, heldenmütiger Bekenner und Blutzeuge Jesu Christi, befreie uns durch Deine Fürbitten von allen gefährlichen Krankheiten, besonders der Augen, vor unvorhergesehenem Tod. Dieses bitten wir durch jene grausamen Martern des Feuers, welche Du wie der heilige Laurentius aus Liebe zu Christus Jesus standhaft und geduldig erlitten hast. Amen."
Literatur- und Bildquellen
Literatur:
- Kunstführer Nr 548: Kirchen und Kapellen der Pfarrei Wolfratshausen Auflage 1984, Verlag Schnell & Steiner München, Zürich
- Günter Knör, Ulrich Wimmer: 700 Jahre Nantweiner Kirche (1981), Eigenverlag
- Heimatbuch Wolfratshausen, Herausgeber Stadt Wolfratshausen 2002
- Der Landkreis Wolfratshausen in Geschichte und Gegenwart, Heimatbuchverlag H. Aigner München 1965
- Benno Conatantin Ganter, Die Werkstätten der Wolfratshausen Altarkistler und Bildhauer im 17. Jahrhundert, tuduv Verlagsgesellschaft, 1984 Studien Reihe Kunstgeschichte Band 10
Bildmaterial: Klaus Bendel
Das Friedhofkreuz auf dem Friedhof von Nantwein hatte unter der Witterung sehr stark gelitten. 2011 entschloss sich die Kolpingsfamilie Wolfratshausen zur Restaurierung. Die Arbeiten übernahmen die Werkstätten Wiegerling aus Gaißach. Die Kosten trug die Kolpingfamilie Wolfratshausen.
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Eisengussbrunnen auf dem Friedhof, 1879